
Letzte Woche hatte ich Gelegenheit, mir einen Vortrag über die Insights2020-Studie anzuhören, „the largest global initiative to focus on the strategic framework, practical guidelines, and the case studies to help Marketing and Insights & Analytics leaders drive customer centric growth.“
Wachstum durch datenbasierte Kundenzentrierung ist z.Z. d a s Marketingthema. Ich weiß nicht, inwieweit der weltweite Erfolg von Amazon hier eine Rolle gespielt hat. Jedenfalls steht es im Zentrum ihrer Unternehmenspolitik: „Amazon’s vision is to be earth’s most customer centric company; to build a place where people can come to find and discover anything they might want to buy online.“
Es ist ohne Zweifel möglich, durch Datenauswertungen Strukturen im Konsumentenverhalten sichtbar zu machen und die Ressourcen-Effizienz in den heute typischerweise extrem fragmentierten Märkten zu optimieren.
Zugleich aber werden wieder Allmachtsphantasien bei denen sichtbar, die, maßlos über das Ziel hinausschießend, den gläsernen Konsumenten im Visier haben.
Die Sozialforscherin Danah Boyd, Präsidentin des Data & Society Research Institute in New York, weist mit Recht darauf hin, dass, nur weil etwas verfügbar ist, es nicht ethisch sein muss. Und sie macht deutlich, dass „Was“ und „Warum“ zwei unterschiedliche Fragen sind.
Der deutsch-koreanische Philosoph Byung-Chul Han formuliert es noch drastischer:
„Der Dataismus leitet die zweite Aufklärung ein. Die Handlung, die den freien Willen voraussetzt, gehört in die Glaubenssätze der ersten Aufklärung. Die zweite Aufklärung glättet sie zur Operation, zum datengetriebenen Prozess, der ohne jede Autonomie und Dramaturgie des Subjekts stattfindet.
Die Information ist eine pornographische Form des Wissens. Ihr fehlt die Innerlichkeit, die das Wissen auszeichnet. Das Wissen spannt sich zwischen Vergangenheit und Zukunft, die Information bewohnt dagegen die geglättete Zeit aus indifferenten Gegenwartspunkten.“
Hier geht es um intelligente Fragestellungen („Warum“) einerseits, um das Menschenbild („Determinismus“) hinter der datenbasierten Kundenzentrierung andererseits.
Statt „viel hilft viel“ oder „garbage in – garbage out“ sollte man die strategische Effektivität des Handelns im Auge behalten.
Und was so paradiesisch klingt („a place where people can come to find and discover anything they might want“), ist doch am Ende banaler Konsum, „ohne jede Autonomie und Dramaturgie des Subjekts“.
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